In der Corona-Krise:
„Die Baumfäller arbeiten auf Hochtouren“

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat schlägt Alarm: Der Amazonas-Regenwald werde in dramatischer Geschwindigkeit abgeholzt. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro nutze die Corona-Krise, um die Ausbeutung der Bodenschätze voranzutreiben.

„Die Baumfäller und die Ausbeuter der Bodenschätze haben keinen Lockdown, sie arbeiten auf Hochtouren“, sagt Thomas Wieland von Adveniat. Foto: Adveniat

Wie dramatisch ist denn die Lage?

Thomas Wieland (Leiter der Projektabteilung des Lateinamerikahilfswerks Adveniat): Die Zahlen sind erschreckend. In den Monaten Januar bis März holzten die Brasilianer 51 Prozent mehr Bäume ab als im Vorjahr. Die Corona-Krise wird genutzt. Die Baumfäller und die Ausbeuter der Bodenschätze haben keinen Lockdown, sie arbeiten auf Hochtouren.

Wird die Krise quasi dafür genutzt, dass die Öffentlichkeit gerade auf ein ganz anderes Thema schaut, nämlich Corona, und so abgelenkt ist?

Brasilien ist ein Hotspot der Corona-Pandemie. Etwa zehn Prozent aller Corona-Toten sind Brasilianerinnen und Brasilianer. Die Krise wird nicht nur genutzt. Sie ist wirklich dramatisch. Aber Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro nutzt sie, um die Gesellschaft zu spalten und sein Projekt, nämlich die Ausbeutung der Bodenschätze und die Umverteilung von unten nach oben, voranzutreiben.

Thomas Wieland, Leiter der Projektabteilung des Lateinamerikahilfswerks Adveniat. Foto: Steffen/Adveniat

Er hat die Umweltschützer immer verhöhnt, genau wie die Indigenen, und auch jüngst die Corona-Toten. Bröckelt nicht langsam sein Rückhalt in der Bevölkerung?

Das können wir leider so nicht beobachten. Wir stellen fest, dass er mit seinen Äußerungen gegen die Corona-Maßnahmen und mit seinem Auftreten in der Öffentlichkeit – er umarmt die Menschen und gibt ihnen die Hand – deutlicht macht, dass aus seiner Perspektive die Corona-Pandemie ja nur ein kleiner Schnupfen ist.

Das kommt denen entgegen, die unter diesen Corona-Maßnahmen leiden. Die Menschen müssen zuhause bleiben, sie können nicht zur Arbeit gehen und stehen unter enormem Druck. Das nutzt der Präsident und spaltet die Gesellschaft, indem er Aussagen macht, die den Druck entlasten. Damit gewinnt er Anhänger. Die Familien sind gespalten – für Bolsonaro, gegen Bolsonaro. Einen Verlust seiner Popularität können wir so noch nicht verzeichnen.

Die Welt schaut zu, wie der brasilianische Regenwald immer kleiner wird. Welche Rolle spielt die katholische Kirche beim Umweltschutz in Brasilien?

Die katholische Kirche in Lateinamerika – vor allem in Brasilien und in den anderen Amazonasländern – hat sich in den letzten fünf Jahren zusammengefunden, den Blick auf den Schutz des gemeinsamen Hauses zu richten. Bei der Amazonas-Synode im Oktober letzten Jahres wurden deutliche Voten getroffen – sowohl zum Schutz des Amazonas-Waldes als auch zum Schutz der Menschen, die im Amazonasgebiet leben und die am meisten gefährdet sind: die indigenen Völker.

Mit dieser Linie der Synode gibt es ein klares Votum der katholischen Kirche in diesen Ländern: gegen die Abholzung, gegen die rein wirtschaftliche Nutzung der Lunge der Welt. Da steht die Kirche in Brasilien zusammen. Betroffen von dieser klaren Stellungnahme sind viele Menschen, die auch Projektpartnerinnen und -partner unseres Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat sind und die aufgrund ihres Engagements für die Völker und für die Umwelt bedroht werden.

Das Interview führte Tobias Fricke von Domradio

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Amazonas-Netzwerk Repam

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