Adveniat hilft mit Medikamenten
und Gesundheitsversorgung in Venezuela
In kaum einem lateinamerikanischen Land ist die soziale Ungleichheit so ausgeprägt wie im sozialistischen Venezuela. Die katholische Kirche tritt offen gegen die Regierung ein. Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Martin Maier berichtet im Interview mit dem Domradio, wie das Lateinamerika-Hilfswerk den Menschen dort hilft.
Die Gesundheitsversorgung in Venezuela ist in einem desolaten Zustand. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat liefert Medikamente und
nutzt die kirchlichen Strukturen um eine Gesundheitsversorgung aufzubauen. Foto: Florian Kopp/Adveniat
Wie ergeht es den Menschen in Venezuela? Was ist Ihnen am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben?
Pater Martin Maier: Ich hatte vor allem zwei Gefühle während dieses Aufenthalts in Venezuela. Zum einen Empörung, dass es möglich ist, dass eine Regierung ein Land zugrunde richtet. Es gibt eine mangelnde Grundversorgung. Ich war unterwegs zur Feier einer heiligen Messe, und plötzlich wurde die Straße von einer Gruppe von Menschen gesperrt. Die haben demonstriert, dass sie schon über Monate keine Trinkwasserversorgung mehr bekommen.
Auf der anderen Seite habe ich das Gefühl der Bewunderung, wie es den Menschen trotzdem gelingt, zu leben und zu überleben. Viele haben zwei, drei Berufe. Die informelle Wirtschaft ist das Überlebensmedium für viele Familien. Natürlich sind es auch die Geldüberweisungen von den Venezolanerinnen und Venezolanern, die im Ausland sind und Geld an ihre Familien schicken.
Wie schwer ist es, in einem solchen Klima für Sie, als kirchliche Organisation, Hilfe zu leisten?
Maier: Adveniat hat allein im vergangenen Jahr 2022 Hilfe mit zwei Millionen Euro leisten können. Und wir können uns auf die Strukturen, auf die Netzwerke der katholischen Kirche verlassen. Die sind nach wie vor intakt und sehr wichtig. Ich hatte ein Gespräch mit der deutschen Botschaft und auch dort wurde mir das bestätigt. Dort wurde Adveniat gedankt für die gute Zusammenarbeit am Anfang der Pandemie. Wir sind vor allem engagiert im Bereich Gesundheitsversorgung. Wir konnten Medikamente nach Venezuela bringen und wir sind dabei, in drei Diözesen Grundgesundheitsversorgung aufzubauen. Da hatte ich mit den Bischöfen auch ein wichtiges Gespräch.
Präsident Maduro ist die katholische Kirche ein Dorn im Auge, auch weil sich die Bischöfe immer wieder sehr kritisch äußern. Gerade erst hat er angekündigt, die Evangelikalen im Land zu stärken. Ist das eine Kampfansage an die katholische Kirche?
Maier: Ich konnte an der Vollversammlung der Bischofskonferenz in Caracas teilnehmen. Und die Bischöfe haben sich in der Tat sehr klar und sehr kritisch gegenüber dem Maduro-Regime geäußert. Sie haben die neuen wirtschaftlichen Eliten als Ergebnis des sozialistischen Raubtierkapitalismus gegeißelt. Und das sind natürlich deutliche und starke Worte und entsprechend hat Präsident Maduro dann auch reagiert. Die Kirche ist sozusagen die einzige breite Opposition im Land. Vor Kurzem hat ja auch Bischof Victor Hugo Basabe sehr, sehr klar die skandalösen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Ungleichheit angeprangert. Auch er wurde dann vom Vizepräsidenten der Sozialistischen Partei als Politiker in Soutane beschuldigt.
Venezuela ist nicht das einzige Land Lateinamerikas, das in einer tiefen Krise steckt und unter der Politik eines linken Autokraten leidet. Den Menschen in Kuba geht es genauso. In Nicaragua sitzt seit Monaten ein Bischof im Hausarrest, weil er Präsident Ortega kritisiert hatte. Aber aus dem Vatikan hört man wenig. Scheut Papst Franziskus den Konflikt mit Lateinamerikas Linken?
Maier: Papst Franziskus hat sich vor kurzem in einem Angelus-Gebet auch zu Nicaragua geäußert. Aber er ist natürlich vorsichtig. Er möchte sich die diplomatischen Kanäle offenhalten. Und es ist ja auch nicht unmittelbare Aufgabe der Kirche, hier jetzt auf den Putz zu hauen. Aber es gibt natürlich auch Gespräche. Ich war in Caracas auf der Nuntiatur. Auch die Nuntiatur ist bemüht, vor allem auch Kanäle humanitärer Hilfe offen zu halten.
Das Interview führte Carsten Döpp vom Domradio.