P. Héctor Gallego
Märtyrer der Landarbeiter in Panama
Vor 50 Jahren wurde Adveniat-Partner Pfarrer Héctor Gallego verschleppt und ermordet. Der Pfarrer gründete in der von Großgrundbesitz geprägten Region von Veraguas Basisgemeinden und Kooperativen, die den mittellosen Landarbeitern aus der Schuldkechtschaft halfen. Seine Arbeit machte ihn bei den wirtschaftlich und politisch Mächtigen unbeliebt. Der 33-jährige Pfarrer „verschwand“ am 9. Juni 1971 nach einer nächtlichen Polizeiaktion. Die Menschen in der Region verehren ihn heute als Märtyrer der Landarbeiter. Die katholische Kirche in Panama strengt ein Seligsprechungsverfahren an.
Padre Héctor Gallego (Mitte) kam als junger Priester aus Kolumbien nach Panama, In Santa Fé de Veraguas gründete er zahlreiche Basisgemeinden und Genossenschaften, um die Abhängigkeit der Landarbeiter von den Grundbesitzern zu durchbrechen. Foto: Adveniat Archiv
Ein Jeep mit drei Männern fährt in der Nacht des 8. Juni 1971 über die unbefestigte Dorfstraße in Santa Fé de Veraguas in Panama. Der Wagen löscht für die letzten Meter des Weges die Lichter und hält vor einer ärmlichen Hütte. Hier hat Pfarrer Héctor Gallego Unterkunft gefunden, nachdem seine eigene ärmliche Holzhütte bei einem nächtlichen Brandanschlag drei Wochen zuvor in Flammen aufgegangenen war und er dem Feuer nur knapp entkommen war. „Man hatte versucht, Padre Héctor bei lebendigem Leib zu verbrennen“, erklärte später Bischof Martín Legarra von Santiago de Veraguas. „Er ließ sich davon aber nicht einschüchtern, wollte seinem Dienst als Pfarrer weiter nachkommen.“
Jacinto Peña, der Besitzer der Hütte, wird Zeuge der Entführung, die sich in dieser Nacht abspielt. Die Männer rufen von außen nach Padre Héctor, dieser öffnet noch schlaftrunken die Tür. Die Männer, die sich als Polizisten ausgeben, teilen ihm im Licht einer Taschenlampe mit, dass sie den Befehl hätten, ihn zu verhaften. Héctor Gallego entgegnet, er könne sie jetzt nicht begleiten, er käme morgen in die Stadt, er werde zum Bischof gehen und dann zur Polizei. Doch die Männer wollen, dass er sofort mitkommt. Sie bringen ihn zum Jeep. Jacinto Peña hört zwei unterdrückte Schreie, sieht, wie der Wagen seine Scheinwerfer und den Motor anlässt und schnell fortfährt. „He, warum schleppen Sie den Mann weg?“ ruft er dem Wagen nach. Es ist das letzte Mal, dass Pfarrer Héctor Gallego lebend gesehen wird. Er ist 33 Jahre alt.
Eines der letzten Fotos von Padre Héctor vor seiner Entführung und Ermordung: Der Pfarrer trifft eine der kirchlichen Basisgemeinschaften im Bergland von Veraguas.
Die Kooperative „Esperanza de los Campesinos” (Hoffnung der Landarbeiter) wurde von Padre Héctor Gallego gegründet.
Ein Landarbeiter in Santa Fé de Veraguas, Panama, im Jahr 1971. Viele der Campesinos lebten in Schuldknechtschaft, waren rechtlos den Grundbesitzern ausgeliefert.
Fotos: Adveniat Archiv
Hector Gallego war 27 Jahre alt, als er zum ersten Mal nach Panama kam. In seinem Heimatland Kolumbien hatte der Sohn einfacher Landarbeiter Theologie studiert, war zum Diakon geweiht worden. Er hatte vom bedrückenden Priestermangel in Panama gehört und bot dem damaligen Bischof von Veraguas, Marcos McGrath, sein Mitarbeit an. Der spätere Generalsekretär des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM und Erzbischof von Panama-Stadt war es dann auch, der Hector Gallego 1967 im kolumbianischen Medellín zum Priester weihte. Zurück in Panama, schickte McGrath den Neupriester nach Santa Fé, in das abgelegene Bergland von Veraguas. Es gab kaum Straßen, und in der Regenzeit waren sie unpassierbar. 8.000 Menschen lebten in der Pfarrei, die sich über 2.000 Quadratkilometer erstreckte – ein Gebiet, das etwa 80 Prozent der Fläche des Saarlandes entspricht. Die meisten Einwohner waren mittellose Landarbeiter, mehr als die Hälfte von ihnen Analphabeten. Viele lebten in Schuldknechtschaft, konnten die Region nicht verlassen und mussten ihre Ernte bei den Großgrundbesitzern unter Preis gegen Kleidung und Lebensmittel eintauschen.
Padre Hector Gallego gründete binnen zwei Jahren 34 kirchliche Basisgemeinschaften in der Pfarrei, bildete die Leiter der Basisgemeinden in Kursen fort. Die Pfarrei gründete Genossenschaften, über die die Landarbeiter ihre Ernte zum dreifachen dessen verkaufen konnten, was ihnen ihr „patrón“ zuvor bezahlt hatte. Unterstützt wurde Hector Gallego dabei vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat aus Deutschland. Adveniat finanzierte Kurse für die Gemeindeleiter, Transportmittel und Bauten für die Pfarrei und die Kooperative.
Den Mächtigen ein Dorn im Auge
Die Pastoral- und Sozialarbeit des jungen Priesters stieß auf den Widerstand der Grundbesitzer. Sie klagten ihn beim Bischof an, er käme seiner seelsorglichen Arbeit nicht nach; man beschuldigte ihn eines Sabotageakts an einer neuen Anlage zur Stromversorgung; man beschuldigte ihn, die Campesinos kommunistisch zu indoktrinieren, statt sich in der Kirche für ihr Seelenheil zu sorgen. Zweimal wurde Héctor Gallego 1970 von der Nationalgarde verhaftet, aber wieder freigelassen. All dies mündete in einem Brandanschlag auf seine einfache Hütte, in der Héctor Gallego mitten unter den Campesinos wohnte. Er hatte ein Leben gewählt, das für die meisten Menschen in der Provinz Veraguas Realität war: Nur eine von zehn Wohnungen hatte vor 50 Jahren Wasser- und Stromanschluss. Fast alle waren auf einem gestampften Erdfußboden errichtet, und in den oft nur einen Raum umfassenden Hütten lebten meist 5 bis 7 Personen.
In der Nacht auf den 23. Mai 1971 wurde die Hütte Héctor Gallegos in Brand gesteckt, der junge Pfarrer entkam mit dem, was er am Leib trug. Der Bischof erstattete Anzeige gegen Unbekannt, doch eine genaue Untersuchung der Vorfälle blieb aus. In Panama regierte seit dem Militärputsch von 1968 eine Junta unter der Leitung von General Omar Torrijos. Er regierte mit diktatorischen Mitteln, und der Geheimdienst unter der Leitung des späteren Diktators Manuel Antonio Noriega verfolgte die Gegner des Regimes. Zu diesen zählte die Junta auch den jungen Priester in Veraguas, der mit seinen Aktivitäten das Machtsystem in der Provinz aufrüttelte und den Campesinos zu Eigenständigkeit verhalf.
Gedenkfeier für P. Héctor Gallego am 49. Jahrestag seiner Entführung. Das Verbrechen jährt sich in diesem Jahr zum 50. Mal. Foto: Melquiades Vásquez
Statue von P. Héctor Gallego auf dem zentralen Platz von Santa Fé de Veraguas. Foto: Mi Diario
Jährlich findet in Santa Fé de Veraguas am 9. Juni, dem Tag der Entführung Héctor Gallegos, eine Gedenkfeier mit Prozession statt. Transparente verkünden: „Héctor lebt!“ Foto: Mi Diario
Was geschah mit Héctor Gallego?
Es gibt mehrere Vermutungen, was mit dem Priester und Adveniat-Partner geschah, nachdem ihn die Uniformierten aus Veraguas verschleppt hatten. Es gibt Hinweise, dass er in ein Folterzentrum in die Hauptstadt gebracht wurde, das unter dem Namen „La Charquita“ bekannt war. Entweder starb Héctor Gallego bereits dort an den Folgen der Folter, und sein Leichnam wurde auf einem Gelände verscharrt, das in der Nähe des heutigen Flughafens „Tocumen“ in Panama-Stadt liegt. Für diese These spricht, dass nach Gründung einer Wahrheitskommission zu den Verbrechen der Diktatur in Panama ab 1999 dort Ausgrabungen gemacht wurden und mehrere Opfer der Diktatur exhumiert und identifiziert werden konnte. DNA-Proben an einer Hose, die ausgegraben wurde und dem Priester gehört haben sollte, konnten nicht gemacht werden, weil das Beweisstück verschwand. Eine andere Vermutung lautet, dass Héctor Gallego wie mehrere andere Opfer des Regimes auch mit einem Helikopter auf das Meer hinausgebracht und lebend, aber an Händen und Füßen gefesselt, hinausgeworfen wurde.
Bis heute konnte der Fall nicht abschließend aufgeklärt werden. Die Landarbeiter von Veraguas kommen seit den 1990er Jahren am Jahrestag der Entführung zu einem Gottesdienst und einer Prozession in Santa Fé de Veraguas zusammen, um die Erinnerung an Héctor Gallego hochzuhalten. Die von ihm gegründete Kooperative besteht weiter, und ein katholisches Radio, das der Diözese half, die Menschen zu alphabetisieren, sendet ebenfalls immer noch sehr efolgreich. „Für uns ist Héctor ein Märtyrer“ urteilt Erzbischof José Domingo Ulloa von Panama-Stadt. „Die katholische Kirche wird nicht aufhören, nach seinen Überresten zu suchen.“
In Santa Fé de Veraguas steht inzwischen eine Büste des ermordeten Priesters aufgestellt, und ein Freizeitpark, der nach dem ehemaligen Diktator Rorrijos „Parque Omar“ hieß, wurde 1994 in „Parque Héctor Gallego“ umbenannt. „Obwohl so viel Zeit vergangenen ist, ist es immer noch nicht gelungen, die Verbrechen der Diktatur in Panama aufzuarbeiten und Opfer wie Padre Héctor Gallego offiziell angemessen zu würdigen“, urteilt der Historiker Carlos Guevara Mann von der Florida State University in Panama-Stadt. Es sei an der Zeit, dies nach 50 Jahren endlich zu ändern.