Kardinal Álvaro Ramazzini
Kämpfer für Flüchtende

Kardinal Álvaro Ramazzini setzt sich in Guatemala seit Jahrzenten für die Armen und Hungernden ein. Außerdem kämpft er für die Rechte der Flüchtenden. Einer von fünf geflüchteten Menschen weltweit kommt aus Lateinamerika. Und viele von ihnen, die aufgrund von Verfolgung, Gewalt, politische Krisen, Armut und Hunger ihr Zuhause verlassen, durchqueren auf ihrem Weg in die USA das mittelamerikanische Land. Im Interview spricht der Bischof von Huehuetenango über die Not der Menschen und wie die Migrantenseelsorge Trost und Hilfe spendet.

Kardinal Ramazzini wird zur Eröffnung der bundesweiten Adveniat-Weihnachtsaktion „Flucht trennt. Hilfe verbindet.“ am ersten Advent nach Deutschland kommen. Foto: CIDSE (CC BY 2.0, https://shorturl.at/eY236)

 

Warum ist Flucht aktuell so ein wichtiges Thema in Lateinamerika?

Kardinal Ramazzini: Unzählige Menschen kommen nach Guatemala, darunter viele aus Venezuela oder Haiti, aber auch aus Afrika. Für die Flucht gibt es zwei Hauptursachen: Erstens suchen viele Menschen nach einer besseren Zukunft, weil es ihnen in ihren Ländern zu schlecht geht. Ein zweiter Grund ist unfassbare Gewalt. Aktuell flüchten vor allem junge Frauen beispielsweise vor gewalttätigen Banden. Flucht hat viele Facetten, doch was dominiert sind Schmerz, Leid und Trauer.

Was sind die größten Herausforderungen für Menschen auf der Flucht?

Kardinal Ramazzini: Viele verschulden sich bei den Schleppern. Inzwischen kostet der Weg in die USA etwa 15.000 Euro und die Preise steigen weiter. Die Risiken sind enorm. Manche Frauen erzählen mir: „Ich habe mich auf die Reise vorbereitet und Verhütungspillen eingenommen, falls ich unterwegs vergewaltigt werde.“ Sie sind schutzlos und sicherlich landen viele in Bordellen in Mexiko. Männer werden hingegen von mexikanischen Kartellen gezwungen, für sie zu arbeiten. Auf den Routen werden die Migranten nicht wie Menschen behandelt. Sie werden oft aufeinandergehäuft in Lastwagen geschleust, die nicht einmal als Tiertransporter ausreichend wären.

Wie begleitet die Kirche und die Partner des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat die Geflüchteten auf ihrem Weg?

Kardinal Ramazzini: In Migrantenunterkünfte haben die Menschen die Möglichkeit, sich auszuruhen, etwas zu essen, und erhalten Beratungen und spirituelle Hilfe. Dieses Angebot ist von unfassbarem Wert. Aber auch in den Pfarreien und auf der Straße kommen wir mit den Flüchtenden in Kontakt. Das ist wichtig, um ihre Probleme zu verstehen und öffentlich zu machen. Die Kirche koordiniert mit allen Diözesen des Landes Hilfsprogramme. Für uns steht fest: Migranten zu helfen, ist eine christliche Pflicht. Wir wollen die Bevölkerung sensibilisieren, denn manche Leute sind nicht bereit zu helfen oder haben Vorbehalte gegenüber Flüchtenden. Da setzt die pastorale Arbeit an, indem wir deutlich machen: Sie sind unsere Geschwister, in denen Jesus Christus präsent ist und denen wir helfen müssen.

Welche Bedeutung hat die Unterstützung aus Deutschland?

Wir sind alle Menschen auf dieser einen Erde und wir helfen uns gegenseitig solidarisch. Es ist enorm wichtig, dass das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat die Menschen in Deutschland auf die Probleme von Migranten aufmerksam macht. Mit der Weihnachtsaktion zeigt Adveniat, dass die Hilfe der Spenderinnen und Spender den Migranten hilft und bei den bedürftigen Menschen ankommt. Das ist hervorragend.

Informieren

Flucht trennt. Hilfe verbindet.

Einer von fünf Migrantinnen und Migranten weltweit kommt aus Lateinamerika. Verfolgung, Gewalt und Hunger zwingen Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Familien werden auseinandergerissen. Flüchtende verlieren auf den gefährlichen Routen ihr Leben. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat versorgt mit seinen Projektpartnerinnen und Projektpartnern vor Ort Flüchtende mit Lebensmitteln und Medikamenten, bietet in sicheren Unterkünften Schutz und ermöglicht mit Ausbildungsprojekten die Chance auf einen Neuanfang. Unter dem Motto „Flucht trennt. Hilfe verbindet.“ ruft die diesjährige bundesweite Weihnachtsaktion der katholischen Kirche die Menschen in Deutschland zur Solidarität auf: für die Chance der Flüchtenden in Lateinamerika und der Karibik auf ein menschenwürdiges Leben.