Haiti:
Gewalt, politische Unruhen, Hungersnot

Die Karibiknation gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Seit Jahren wird es von politischen Unruhen und Gewalt der organisierten Kriminalität erschüttert. Bewaffnete Banden nehmen immer wieder Geiseln, um Lösegeld zu erpressen. Ziel sind auch Vertreterinnen und Vertreter christlicher Organisationen. Jüngst wurde ein Anschlag auf den Bischof und Adveniat Partner Pierre-André Dumas ausgeübt und sechs Mitglieder einer Ordensgemeinschaft verschleppt.

Panorama eines Slums/Müllkippe in Haiti

Die Karibiknation gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Seit Jahren wird es von politischen Unruhen und Gewalt der organisierten Kriminalität erschüttert. Foto: Steffen/Adveniat

„Die ohnehin schon katastrophale Menschenrechtslage hat sich angesichts der unerbittlichen und zunehmenden Bandengewalt noch weiter verschlechtert, mit katastrophalen Folgen für die Haitianer“, warnte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk vor wenigen Tagen. Mindestens 806 Menschen, die nicht an den gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt waren, seien im Januar getötet, verletzt oder entführt wurden. Darüber hinaus gab es unter den Bandenmitgliedern etwa 300 Tote und Verletzte. Damit verzeichnete Haiti allein im Januar also mehr als 1.100 ermordete, verschleppte oder verwundete Menschen.

„Die Haitianer erleben ein erschreckendes Ausmaß an Gewalt, während sie gleichzeitig darum kämpfen, ihre Familien zu ernähren und Zugang zu anderen Grundbedürfnissen zu erhalten“, sagt Tirana Hassan von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. „Jeder Tag, der verstreicht, ohne dass die internationale Unterstützung für alle Aspekte der Krise aufgestockt wird, bringt mehr Menschenleben in Gefahr.“

 Bischof und Adveniat Partner Pierre-André Dumas. Foto:Steffen/Adveniat

Zwei dramatische Appelle innerhalb weniger Tage; doch sie verhallen in einer Welt, die gerade von einer Dauerkrise in die andere zu geraten droht. Die humanitäre Katastrophe in Haiti schafft es nicht auf die Titelseiten oder in die Abendnachrichten. Das unvorstellbare Leid der haitianischen Bevölkerung, insbesondere von Mädchen und Frauen, findet in der internationalen Wahrnehmung praktisch nicht statt.

So hilft Adveniat in Haiti:

  • Im „Foyer de l’espérance“ (Hof der Hoffnung) können Kinder und Jugendliche Freizeitaktivitäten nachgehen, malen und nähen lernen.
  • Trinkwasseranlagen reinigen das verschmutzte Trinkwasser in Haiti, das zu Krankheiten, wie Cholera führt.
  • Mit der Förderung von Solarenergie wird Strom erzeugt, denn die öffentliche Stromversorgung funktioniert nicht.
  • Adveniat fördert die Jugendarbeit in Gemeinden, um sie vor dem Beitritt in Banden zu schützen.

Auch die Kirche warnt seit Monaten, ja seit Jahren vor den katastrophalen Zuständen. Haiti stehe unter der Herrschaft bewaffneter Banden, die Angst und Schrecken verbreiten und Hunderte von Familien in Trauer versetzen. Die Kirche legte zuletzt den Fokus auf die ausufernde Bandenkriminalität und richtete einen „dringenden Appell“ an Ariel Henry, den Premierminister des Landes, die derzeitige sehr ernste Situation der Gewalt zu berücksichtigen und die „weise Entscheidung“ zu treffen, die Macht friedlich an „legitime, vom Volk gewählte Führer“ zu übergeben.

Henry ist nach der Ermordung von Staatspräsident Jovenel Moise im Juli 2021 an die Macht gekommen. Längst hätten Neuwahlen stattfinden müssen, doch Henry klammert sich an die Macht. Dahinter nutzen bewaffnete brutale Banden das Vakuum, um ihren Einfluss auszubauen. Allein in einer Woche mussten 10.000 Menschen aus ihren Häusern fliehen.

Vor wenigen Tagen wurde ein katholischer Bischof bei einem Attentatsversuch verletzt. Wie die Haitianische Bischofskonferenz in einer Stellungnahme mitteilte, handelt es sich bei dem betroffenen Geistlichen um Bischof Pierre-André Dumas aus der Diözese Anse-a-Veau im Westen des Landes. Dumas ist zugleich amtierender Vizevorsitzender des Episkopats. Auch er hatte in der Vergangenheit die von den kriminellen Banden in Haiti praktizierten Entführungen als „abscheulichen und barbarischen Akt“ verurteilt und forderte bei mehreren Gelegenheiten ein Ende „dieser verabscheuungswürdigen und kriminellen Praktiken“.

Auch eine Gruppe von Geistlichen ist aktuell Entführungsopfer. Lokalen Medienberichten zufolge handelt es sich um sechs Mitglieder der Ordensgemeinschaft der Brüder vom Heiligsten Herzen Jesu. Der Überfall einer bewaffneten Bande soll sich in der vergangenen Woche ereignet haben. Die Polizei teilte mit, es gebe bislang keine Informationen, wer die Geistlichen in ihre Gewalt brachte, noch wie es den Geiseln geht.

Das Land leidet laut UN-Angaben überdies unter einer noch nie dagewesenen Nahrungsmittelknappheit. Fast die Hälfte der Bevölkerung, etwa 4,9 Millionen Menschen, habe nicht genug zu essen, um gesund zu überleben. Haiti gilt ohnehin als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Es wurde in den vergangenen Jahren von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen erschüttert, zuletzt kam eine Cholera-Welle hinzu, die Hunderte Tote forderte.

Text: Tobias Käufer/kna