Haiti: Gewalt, Armut und Flucht –
Adveniat-Hilfe bleibt

Die Dominikanische Republik kündigt ein hartes Vorgehen gegen illegale Migration aus Haiti an. Dort ist die humanitäre Situation völlig außer Kontrolle. Den Rest der Welt interessiert das kaum. Adveniat bleibt an der Seite der Menschen und unterstützt sie auf vielfältige Weise.

Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Geschlagen ist es durch schwere Naturkatastrophen wie Erdbeben, Hurrikans und Dürren. Dazu kommen innere Probleme wie Korruption, eine komplett außer Kontrolle geratene Bandenkriminalität und politische Instabilität (Symbolbild). Foto: Adveniat/Martin Steffen

„Die Menschen sind am Ende ihrer Kräfte. Sie bitten den Staat um Hilfe“, sagt Max Leroy Mesidor, Erzbischof von Port-au-Prince und Vorsitzender der katholischen Haitianischen Bischofskonferenz. Gemeint ist die Situation nach einem neuerlichen Gewaltausbruch vor wenigen Tagen, bei dem mehr als 70 Menschen starben, vielfach Mitglieder rivalisierender Banden. Rund 700.000 Menschen sind im Land als Binnenvertriebene auf der Flucht, ein Großteil davon sind Kinder.

Trotz der katastrophalen humanitären Lage hat das Nachbarland Dominikanische Republik damit begonnen, Tausende Haitianer abzuschieben. Haitis Regierung reagiert mit hilflosem Protest: „Die brutalen Szenen von Razzien und Abschiebungen, die wir erleben, sind ein Affront gegen die Menschenwürde“, erklärte die haitianische Außenministerin Dominique Dupuy. Die Migrationspolitik der dominikanischen Regierung verstoße gegen internationale Menschenrechtsstandards. „Wir verurteilen diese entmenschlichenden Handlungen auf das Schärfste und fordern Respekt und Gerechtigkeit“, so Dupuy.

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt sowohl die Menschen, die in Haiti ausharren müssen, als auch die Menschen, die fliehen. Selbst in der stark umkämpften und von Gewalt geprägten Hauptstadt Port-au-Prince finanziert Adveniat Hilfe für Kinder und Jugendliche. Im Projekt „Foyer de l´espérance“ (Foyer der Hoffnung) erhalten sie eine warme Mahlzeit, Bildungsangebote, werden gesundheitlich versorgt und können im geschützten Raum ihre Freizeit verbringen. Entschließen sich die Menschen, ihre Heimat zu verlassen, leistet Adveniat durch seine Projektpartnerinnen und -partner auf der gefährlichen Flüchtlingsroute Hilfe: Die Mitarbeitenden verteilen Lebensmittel und Medikamente, bietet in sicheren Unterkünften Schutz und ermöglicht mit Ausbildungsprojekten für Migranten die Chance auf einen Neuanfang in Lateinamerika.

Ankommende Migranten aus Haiti. Das indigene Dorf Canaan ist für die Migranten die letzte Station im Darien, in Panama, bevor sie in das Durchgangslager Metiti kommen. Die indigene Gemeinschaft hat sich mit dem Migrantenstrom arrangiert, indem die Bewohner Verpflegung, Unterkunft und andere bezahlte Dienstleistungen anbieten. Foto: Kopp/Adveniat

Massenabschiebungen geplant

Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Geschlagen ist es durch schwere Naturkatastrophen wie Erdbeben, Hurrikans und Dürren. Dazu kommen innere Probleme wie Korruption, eine komplett außer Kontrolle geratene Bandenkriminalität und politische Instabilität. Das alles sorgt für einen Massenexodus. Ein Ziel: das Nachbarland Dominikanische Republik, das versucht die „grüne Grenze“ mit einem Zaun nach US-amerikanischen Vorbild abzusichern.

Der dominikanische Präsident Luis Abinader führte zuletzt einen Wahlkampf mit anti-haitianischer Rhetorik. Nun sollen 10.000 Haitianer abgeschoben werden – pro Woche. Medien berichten, Präsidentensprecher Homero Figueroa habe angekündigt, mit den Massenabschiebungen solle „der in den dominikanischen Gemeinden wahrgenommene Überschuss von Migranten“ reduziert werden, die hauptsächlich aus Haiti stammen.

Gandy Thomas, Vertreter Haitis bei der Organisation Amerikanischer Staaten, kritisierte die massenhafte Abschiebung als unmoralischen und repressiven Akt, der gegen grundlegende Rechtsprinzipien verstoße: „Die internationale Gemeinschaft, einschließlich der OAS, muss diese Abschiebepolitik als eine diskriminierende Kampagne gegen Haitianer aufgrund ihrer Nationalität und ihrer Hautfarbe werten“, sagte Thomas. Es handele sich um „eine Strategie der ethnischen Säuberung, die in modernen Gesellschaften keinen Platz hat“.

Ausweisungen auch aus den USA

Auch aus den USA werden Haitianer trotz der katastrophalen Lage in ihrer Heimat abgeschoben. Im Wahlkampf verbreitete der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump jüngst die unbelegte Behauptung, haitianische Einwanderer würden Katzen und Hunde von US-Bürgern essen. Zwar sorgte das für allerhand Spott, doch auch die amtierende US-Regierung von Präsident Joe Biden und Vize Kamala Harris, die sich um die Präsidentschaft bewirbt, greift hart durch. Wohl auch, um im Wahlkampf keine Angriffsfläche zu bieten, ließ die US-Regierung Abschiebeflüge starten.

Während die USA, die Dominikanische Republik und andere betroffene Staaten vehement versuchen, die illegale Migration zu stoppen, ist das eigentliche Problem in Haiti weiter ungelöst. Trotz des Beginns einer internationalen Hilfsmission unter Leitung Kenias bleibt die Sicherheitslage im Land katastrophal. Die internationale Gemeinschaft zeigt nur wenig Interesse.

Beinahe hilflos klingt der Appell von UN-Sprecher Thameen Al-Kheetan nach dem Massaker mit mehr als 70 Toten: „Wir fordern eine Aufstockung der internationalen finanziellen und logistischen Unterstützung für die multinationale Sicherheitsunterstützungsmission MSS in Haiti“, sagte er. Es sei von entscheidender Bedeutung, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und den Familien der Opfer zu helfen. Dass das passiert, daran glaubt in Haiti allerdings niemand.

Tobias Käufer (KNA)