Dom Hélder Câmara
Bruder der Armen

Dom Hélder Câmara lebte an der Seite der Armen und Ausgestoßenen. Mit Optimismus und Liebe setzte er sich für sie und ihre Rechte ein, für Gerechtigkeit und Frieden – besonders während der Militärdiktatur in Brasilien. Er wurde als „kommunistischer Bischof“ bezeichnet und deswegen bedroht, ließ sich das Wort aber nicht verbieten. Wegen seines Muts, seiner Bescheidenheit und seiner Brüderlichkeit hat er bis heute einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Dom Hélder Câmara lebte an der Seite der Armen und Ausgestoßenen. Foto: Instituto Dom Hélder Câmara/Adveniat

„Wie kann es sein, dass wir den Christus übersehen, der buchstäblich am Rande lebt, in den Armen in den Favelas von Rio?“ Diese an ihn gerichtete Frage veränderte das Leben von Dom Hélder Câmara. Ab diesem Tag stellte er sein Leben in den Dienst der Armen und bewirkte Großes. Ein Portrait über einen Prophet und Wegbereiter.

Noch heute wird Dom Hélder Câmara in Lateinamerika als Vorbild in Kirche und Gesellschaft verehrt und inspiriert eine Jugend auf der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden. Im Blickpunkt-Sonderheft „Dom Helder Camara – Prophet und Wegbegleiter“ blicken Zeitzeugen zurück auf die gemeinsame Zeit, aber auch auf seinen Einfluss in der Gegenwart.

„Die Menschen belasten dich? Trag sie nicht auf den Schultern. Schließ sie in dein Herz.“

Dom Hélder in Worten

„Wenn ein Mensch mit seinem Fingerabdruck ein Dokument zeichnen muss, weil er nicht schreiben kann – vielleicht ein für ihn entscheidendes Dokument, das er anstarrt, ohne irgend etwas zu verstehen, wenn er seine intimsten Gefühle für die ihm teuersten Menschen nicht in einem Brief ausdrücken kann und unfähig ist, die lieben Briefe zu lesen, die er erhält, dann versinkt er im Schweigen, das heißt: er ist einem Gefühl der Minderwertigkeit ausgeliefert.“

Dom Hélder in Worten

„Der Lärm, der uns hindert, die Stimme Gottes zu hören, ist nicht, wirklich nicht, das Geschrei der Menschen oder das Fiebern der Städte und noch weniger das Sausen der Winde oder das Plätschern der Wasser. Der Lärm, der die göttliche Stimme erstickt, ist der innere Aufruhr gekränkter Eigenliebe, erwachenden Argwohns, unermüdlichen Ehrgeizes.“

Dom Hélder in Worten

„Sag ja zu den Überraschungen, die deine Pläne durchkreuzen, deine Träume zunichtemachen, deinem Tag eine ganz andere Richtung geben – ja vielleicht deinem Leben. Sie sind nicht Zufall. Lass dem himmlischen Vater die Freiheit, deine Tage zu bestimmen.“

Dom Hélder in Worten

„Mit welchen Worten gebietet Jesus uns, die Mitmenschen zu lieben? Er sagt: Wir sollen den Nächsten lieben. Das ist das Problem. Wir lassen uns leicht rühren, wenn wir von einem Unglück in einem fernen Land hören, wo Tausende obdachlos geworden sind. Schwierig, ja hart ist es, den zu lieben, der in unserer Nähe wohnt: den Nachbarn, den Arbeitskollegen oder das Gemeindemitglied.“

Dom Hélder in Worten

„Wenn es den Kirchen gelingen würde, ihr Zeugnis aus den Verstrickungen des Geldes zu befreien! Wenn wir, die wir die andern bekehren wollen, persönlich, authentisch, ein Beispiel tiefer innerer Bekehrung geben würden!“

Dom Hélder in Worten

„Wann wird die Einsicht dämmern, dass eine Stadt in erster Linie durch den Mangel an Menschlichkeit zu einer hässlichen Stadt wird?“

Dom Hélder in Worten

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Bewegend
Menschen erzählen von Dom Hélder

„Dom Helder hat bis heute einen tiefen Eindruck in den Straßen von Recife hinterlassen. Dom Helder war ein außergewöhnlicher Priester, weil er in sich den Keim der Einfachheit trug. Obwohl von kleiner Statur, war er groß im Gebet und zu Gunsten der Sache, die er verteidigte. Er sah die armen Menschen auf den Straßen mit den Augen Jesu. In der Zeit der Diktatur in Brasilien zeigte er großen Mut, Gottes Volk zu motivieren, sich nicht von dem Missbrauch gegen das menschliche Leben wie Folter oder willkürliche Verhaftungen überwältigen zu lassen. Er sagte: »Die schlimmste Sünde ist die Gleichgültigkeit dort, wo das Leiden der anderen ist.«“

Anna Beatriz Malaquias, Journalistin, Erzdiözese Olinda-Recife

„Laienbewegungen förderte er stets uneingeschränkt. Alle Laien mit ihren unterschiedlichen Aufgaben lagen ihm am Herzen.“

José Ernanne Pinheiro, Referent der brasilianischen Bischofskonferenz

„Basisgemeinden und Laien … erneuerten in Brasilien die Kirche. Helder Camara trat in den Hintergrund. Doch von uns aus gesehen, für Europa, wurde er zum Herold kirchlicher und sozialer Erneuerung. Er kam zu uns, nicht um zu betteln für die armen Bauern und Fischer seiner Diözese; vielmehr, um uns auf weltweite soziale Probleme aufmerksam zu machen.“

Mario von Galli, Jesuit, Publizist, Konzilsberichterstatter

„Den einfachen Leuten hier in Recife ist er Vater, Freund und Bruder zugleich. Er wird von allen bewundert. Allerdings war auch zu hören: „Jetzt machen die schon Kommunisten zu Heiligen“, als der Antrag zu seiner Seligsprechung öffentlich bekannt wurde. Dabei war er alles andere als ein Kommunist. Sein Ziel war soziale Gerechtigkeit. Weil das Volk hungerte, rief er die Priester dazu auf, aus den Kirchen hinauszugehen, zu den Bedürftigsten zu gehen und sich dreckige Schuhe zu holen. Selbstkritisch formulierte er: „Wir sehen das Leid und tun doch nichts dagegen. Meinen wir etwa, dass Gott zu viele Menschen erschaffen hat und deshalb nicht genug für alle da ist?“ Dom Helder war ein Mensch von großer Bescheidenheit: Er ging stets zu Fuß, wohnte im Hinterhof einer Kirche. Ich bin mir sicher, dass er im Himmel längst unter den Heiligen sitzt.“

Einwohner von Recife

„Dom Helder, wenn wir an dich erinnern, so tun wir es aus Respekt vor dem, was du warst, vor dem, was du erduldet, und vor dem, was du bewirkt hast. Aus Bewunderung für deinen Lebensweg, den du nicht über Prachtstraßen im Wagen gereist bist, sondern zu Fuß und per Anhalter in den schmuddeligen Gässchen der Armenviertel. Vielleicht auch aus Faszination für deine Radikalität, deine Eloquenz und deinen Humor, deine Einfachheit im Lebensstil und in der Liebe und aus Dankbarkeit für das Geschenk, das du für die Armen Recifes gewesen bist, für die Kirche in Brasilien, für die Kirche in der Welt von heute. Vor allem aber hoffen wir, dass du uns auf die Spur bringst der Zeichen Gottes in unserer alltäglichen Welt, im Leid unserer Geschwister uns ermutigst zum genauen Hinsehen, zum Kräfte Sammeln in Stille und Gebet, zum gewaltlosen Kampf für eine menschlichere Welt. Dass ein Funke deiner Fröhlichkeit auf uns überspringe und das Düster der Resignation vertreibe, die Zweifel, die uns wie Räuber im Dunkel überfallen. Dass in uns etwas von deiner Leidenschaft wachse, deiner unerschütterlichen Leidenschaft im Glauben und in der Liebe zu den Armen dass du uns von deinem Traum erzählst, der der Traum Gottes ist, der Traum von Gerechtigkeit und Leben.“

Julia Stabentheiner