Adveniat zur Wahl in Mexiko:
„Wer schützt das Volk?“

„Wer schützt überhaupt noch das Volk, die einfachen Menschen?“ Das ist für die Mexiko-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Katharina Louis die entscheidende Frage im Vorfeld der Mega-Wahlen am Sonntag, 2. Juni 2024, in Mexiko.

Die Menschen in Mexiko leiden seit Jahren unter der ausufernden Gewalt. Das Bild zeigt Proteste in Mexiko-Stadt gegen Morde an Indigenen. Während des Wahlkampfs wurden insgesamt 70 Menschen ermordet, darunter 35 Kandidatinnen und Kandidaten. Foto: Hans-Maximo Musielik/Adveniat

Der Wahlkampf ist der gewalttätigste in der Geschichte des Landes. Mehr als 500 Kandidatinnen und Kandidaten, Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtsaktivistinnen und -Aktivisten sind bereits Opfer der ausufernden Gewalt von Drogenkartellen und kriminellen Banden geworden. Insgesamt 70 Menschen, darunter 35 Kandidatinnen und Kandidaten, wurden im Zusammenhang mit der Wahl sogar ermordet.

„Leider garantieren weder Militärs noch Polizei einen sicheren Schutz bei Angriffen und Massakern durch kriminelle Banden und Kartelle“, hat Katharina Louis bei ihrer Mexiko-Reise Anfang Mai festgestellt. Dafür nur ein Beispiel: im südlichen Bundesstaat Chiapas wurden am 12. Mai elf Frauen und Männer in Chicomuselo grausam ermordet. Das Bistum San Cristóbal de las Casas nennt in einer Stellungnahme als Ursache des Massakers den Kampf um Territorien von Kartellen auf dem Gebiet von indigenen Völkern und Kleinbauern, verbunden mit illegalem Bergbau und Rohstoffausbeutung. Unschuldige Menschen werden dem Bistum zufolge zu Opfern von Mord, Entführung und Vertreibung, weil eine „gescheiterte Regierung es zugelassen hat, dass kriminelle Banden sich der Dörfer bemächtigen“ und eine vollkommene Straflosigkeit vorherrsche. Mehrere Gesprächspartner stellten fest, dass Wahlkandidaturen im Süden von den Kartellen abhängen.

„Das Sicherheitsversprechen und das Sicherheitskonzept der Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador ist gescheitert.“

Katharina Louis, Mexiko-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat

„Das Sicherheitsversprechen und das Sicherheitskonzept der Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador ist gescheitert“, stellt Adveniat-Expertin Katharina Louis angesichts der steigenden Opferzahlen fest. AMLO, wie der Präsident überall in Mexiko genannt wird, habe durchaus sozialpolitische Fortschritte gebracht. So sei der Mindestlohn um 110 Prozent auf knapp 7.500 Pesos (rund 400 Euro) angehoben worden und, Arbeiter über 65 Jahre, die im informellen Sektor ohne Rentenversicherung gearbeitet hätten, würden pro Monat 3.000 statt wie bisher 400 Pesos erhalten. „AMLO hat aber systematisch die Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und Nichtregierungsorganisationen geschwächt und damit wichtige Initiativen zugunsten der Menschen verspielt“, sagt Adveniats Mexiko-Referentin Katharina Louis. So seien beispielsweise dem Instituto Nacional de Desarrollo Social (Nationales Institut für soziale Entwicklung) und dem für den Ablauf und die Unabhängigkeit der Wahlen zuständigen Instituto Nacional Electoral das Budget gekürzt worden.

Straflosigkeit beenden, das mexikanische Volk effektiv schützen, NGOs stärken

„In dieser Situation fördert das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat verstärkt zivilgesellschaftliche Projekte zur Stärkung von Menschenrechts- und Friedensarbeit, Frauenrechten und Konfliktbewältigung“, betont Katharina Louis. Dabei spiele die Kirche, die sich vernehmbar an die Seite der armen und von Gewalt betroffenen Menschen stelle, eine bedeutende Rolle. Auf nationaler Ebene hat die Kirche einen breiten Friedensdialog angestoßen, den auch Adveniat unterstützt. Auf die daraus entstandene „Agenda nacional por la paz“ (Nationale Friedensagenda) hätten sich landesweit insgesamt 160 Organisationen verpflichtet. Während die Kandidatin der Regierungspartei MORENA, der Bewegung der Nationalen Erneuerung, Claudia Sheinbaum, sich kritisch zu einigen Aspekten der Friedenserklärung äußerte, hat die Kandidatin der Opposition, Xóchitl Gálvez, den Prozess positiv aufgenommen. Adveniat-Expertin Katharina Louis zufolge fehlen jedoch auf allen Seiten Konzepte, wie die Macht der Drogenkartelle und die grassierende Gewalt eingedämmt werden können. „Umso wichtiger ist es, dass nicht nur Hilfsorganisationen wie Adveniat Kirche und Zivilgesellschaft unterstützen. Vielmehr müssen auch die deutsche Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft Druck auf die künftige Regierung ausüben, die Straflosigkeit zu beenden, das mexikanische Volk effektiv zu schützen und Nichtregierungsorganisationen wieder zu stärken“, fordert die Mexiko-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.

Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.200 Projekte mit rund 31 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.