Wird Mexiko erstes Opfer von US-Präsident Trump?
Strafzölle, Massenabschiebungen, Annektionen – in den vergangenen Wochen hat sich Trumps Zorn bereits als Vorbote seiner Amtseinführung über Lateinamerika ergossen. Im Visier ist vor allem Freihandelspartner Mexiko. Doch Präsidentin Sheinbaum hat einige Karten im Ärmel und bleibt gelassen.

Zehntausende Migranten durchquerten im vergangenen Jahr Mexiko in Richtung US-Grenze. Foto: Adveniat/Hans-Maximo Musielik (Symbolbild)
Schon in den Wochen vor seinem Amtsantritt hat US-Präsident Donald Trump deutlich gemacht, dass er die US-Vorherrschaft in Lateinamerika wieder etablieren will. Die Region, so scheint es, wird zu seinem Prügelknaben – vermutlich hält er sie für einen leichten Gegner, um seinen Wählern außenpolitische Stärke vorzugaukeln.
Strafzahlungen, Massenabschiebungen, Aneignung des Panamakanals
Strafzölle, Massenabschiebungen von Migranten und vielleicht auch die gewaltsame Aneignung des Panamakanals. All das hat er in den vergangenen Wochen angedroht. Das erinnert ein wenig an die Devise „Amerika den Amerikanern“ – mit der US-Präsident James Monroe vor 200 Jahren die europäischen Kolonialmächte verjagte. Es folgte eine Ära der US-Hegemonie. Mit Invasionen, Marionettenregierungen, von den USA angezettelten Putschen und Stellvertreterkriegen.
Angespannt blicken viele Regierungen der Region jetzt nach Washington – mit der Ausnahme von Trumps Gesinnungsgenossen. Leute wie der ultrarechte brasilianische Expräsident Jair Bolsonaro, Nayib Bukele in El Salvador oder Javier Milei in Argentinien. Sie haben allerdings keine altruistischen Gründe. Bolsonaro hofft auf Schützenhilfe aus Washington, um eine Gefängnisstrafe zu vermeiden und bei der nächsten Wahl wieder kandidieren zu dürfen. Bukele und Milei brauchen dringend Geld. Alle drei wurden zu Trumps Amtseinführung eingeladen. Nur Bolsonaro konnte nicht kommen – ihm wurde von der Justiz der Pass eingezogen.

Die Schwester in einem von Adveniat unterstützten Migrantenprojekt versorgt die Wunden eines honduranischen Flüchtlings. Die Migranten leiden ständig unter Platzwunden an den Beinen und Blasen an den Füßen und sind dankbar, auf dem langen Weg versorgt zu werden. Foto: Adveniat/Hans-Maximo Musielik (Symbolbild)
Wer nicht zur Amtseinführung eingeladen wurde ist ausgerechnet die Präsidentin des wichtigsten Handelspartners der USA: Claudia Sheinbaum. Zusammen mit Kanada und den USA gründete Mexiko 1994 das nordamerikanische Freihandelsabkommen (USMCA) – heute der größte Wirtschaftsraum weltweit. Doch Nachbar Mexiko ist besonders im Visier von Trump. Er hat angedroht, Drogenlabors zu bombardieren und will die Kartelle zu terroristischen Organisationen erklären. Außerdem hat er Strafzölle angekündigt, da Freihandelspartner Mexiko angeblich als Drehscheibe für chinesische Güter dient, die über Mexiko in die USA kommen. Und auch von den Massenabschiebungen wäre Mexiko besonders stark betroffen: schätzungsweise vier Millionen Mexikaner leben illegal in den USA. Wie massiv die Abschiebung sein wird, ist jedoch unklar. Während seiner ersten Amtszeit schob Trump weniger Migranten ab als sein Vorgänger Barack Obama – der war nur diskreter.
Trotz alledem bleibt Mexikos Regierung erstaunlich gelassen – im Gegensatz zu den Kanadiern, denen Trump ebenfalls Strafzölle aufbrummen will. Deren Diplomaten zeigten sich dieser Tage in einer Online-Konferenz des nordamerikanischen Forschungszentrums Wilson Center verärgert über die rüde Behandlung. „Die USA behandeln ihre Freihandelspartner schlechter als Schurkenstaaten wie Russland und Venezuela“, klagte der ehemalige Handelsbeauftragte Steve Verheul.
Mexikos Präsidentin versucht aufgeregte Gemüter zu beruhigen
Mexikos Ruhe mag daran liegen, dass das Land die Rolle des Prügelknaben gewohnt ist. Schon in seiner ersten Amtszeit zwang Trump mit Strafzöllen das Land zu einer härteren Migrationspolitik. Das diplomatische Team, das den Präsidenten damals beschwichtigen musste, ist auch jetzt wieder in Mexiko aktiv – mit der gesammelten Erfahrung inklusive.
Sheinbaum versucht derzeit, die aufgeregten Gemüter zu beruhigen – und spielt dabei gleichzeitig mit Humor, Pragmatismus und Chauvinismus, je nach Situation. Über Trumps Ansinnen, den Golf von Mexiko in Golf von Amerika umzubenennen, machte sie sich lustig und präsentierte ihm eine Karte aus dem 17. Jahrhundert, auf der von Mexiko-Amerika die Rede war und einige der heutigen US-Bundesstaaten zu Mexiko gehörten. Ihre Landsleute hält sie mit Patriotismus bei der Stange – etwa der Drohung von Vergeltungs-Strafzöllen und Versprechen, man werde nicht einknicken und „habe einen Plan“.
Aber auch jenseits der Rhetorik hat sich Sheinbaum etwas aus der Schusslinie manövriert mit einigen Weichenstellungen in den vergangenen Wochen. So fährt Sheinbaum anders als ihr Mentor und Amtsvorgänger Andrés Manuel López Obrador einen harten Kurs gegenüber den Drogenkartellen und einen konzilianten gegenüber der Privatwirtschaft.
Ihr Sicherheitsminister ließ in den vergangenen Wochen Tonnen der synthetischen Droge Fentanyl beschlagnahmen. Gemeinsam mit wichtigen Unternehmern des Landes stellte Sheinbaum dann vor einigen Tagen ein Wirtschaftsprogramm vor, das darauf abzielt, nordamerikanische Lieferketten zu stärken und die Abhängigkeit von China zu reduzieren. Chinesische Billigimporte belegte die Regierung zu Jahresanfang mit hohen Importzöllen, in mehreren Razzien wurden erstmals seit langem wieder Warenlager mit (vor allem aus China stammender) Produktpiraterie beschlagnahmt.
Mexiko mit schwächerem Fundament als vor sechs Jahren
Ob das reicht, bleibt abzuwarten. Das Verhältnis der USA und Mexiko ist asymmetrisch. Mexiko ist deutlich abhängiger von den USA als anders herum. Das Land steht nach Ansicht des Finanzexperten Luis Rubio heute zudem auf schwächerem Fundament als vor sechs Jahren – mit schleppendem Wachstum, steigendem Haushaltsdefizit und ausbleibenden Investitionen.
Die Regierung bereitet sich aufs Schlimmste vor: Wirtschaftsminister Marcelo Ebrard hat eine Liste mit Vergeltungs-Strafzöllen in der Schublade, die – so ließ er durchblicken – vor allem für die Bundesstaaten und Sektoren, die Trump unterstützen, schädlich wären. Doch ganz ohne Trümpfe steht Sheinbaum trotzdem nicht da. „Trump vermischt alles: Handel, Migration und Sicherheitspolitik“, sagt Juan Carlos Baker, Handelsexperte vom Georgetown Americas Institute. Das macht die Handelsbeziehung zwar unberechenbarer, „aber es gibt zugleich Mexiko mehr Karten in die Hand“, sagt er. „Die Kunst ist, sie kreativ einzusetzen.“
Text: Sandra Weiss/adv