Stichwahl Ecuador: Amtsinhaber wirtschaftsnah, Linke betonen Souveränität
Die Bürger in Ecuador stehen vor einer echten Richtungswahl. Das gilt auch für die außenpolitische Ausrichtung des Landes. Ganz gleich, wer das Rennen macht – die Herausforderungen sind gigantisch.

Das kleine Land Ecuador hat sich in den letzten Jahren zu einem Hotspot der Gewalt und zu einer Drehscheibe des Drogenhandels entwickelt. Foto: Adveniat/Achim Pohl
Ecuador gehört in der Regel nicht zu den Ländern, denen außenpolitisch besonders großes Gewicht zugesprochen wird. Und doch steht bei der Stichwahl um das Präsidentenamt am Sonntag in dem Andenstaat eine Menge auf dem Spiel. Entscheiden müssen sich die gut elf Millionen Wahlberechtigten zwischen dem konservativen Amtsinhaber Daniel Noboa (37) und der linken Herausforderin Luisa Gonzalez (47).
Ganz gleich, wer das Rennen macht – die Herausforderungen sind gigantisch: Galt das kleine, arme Land lange als vergleichsweise sicher und ruhig, hat es sich in den letzten Jahren zu einem Hotspot der Gewalt und zu einer Drehscheibe des Drogenhandels entwickelt. In nur vier Jahren ist die Mordrate von sieben auf 47 Morde pro 100.000 Einwohner angestiegen. Auftragsmorde, Entführungen, Schutzgelderpressungen, Gewalt in Gefängnissen sind an der Tagesordnung.
Adveniat-Referentin fordert Initiativen, um global organisierten Verbrechen Grenzen zu setzen
„Ecuador wird weltpolitisch alleingelassen und von den global agierenden Drogenkartellen zermahlen“, sagt die Ecuador-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Martina Fornet Ponse vor der Stichwahl. Die wachsende Gewaltspirale war dementsprechend auch eines der zentralen Themen im Wahlkampf. Zudem wurde Ecuador durch Energieversorgungsprobleme erschüttert, die zu stundenlangen Stromausfällen- oder Abschaltungen führte.
Update nach der Wahl:
Adveniat-Expertin Fornet Ponse bei domradio.de:
“Es geht darum, die Menschen aus der Armut zu führen”
– Ausführliche Analyse und Interview –
„Es braucht ein entschiedenes Eintreten gegen staatliche Korruption und politische Einflussnahme der Kartelle sowie ein starkes Bündnis der Regierung mit der Kirche und zivilgesellschaftlichen Organisationen“, sagt Fornet-Ponse. „Hier müssen Deutschland und Europa ihrer Verantwortung gerecht werden. Anstatt Ecuador und andere Länder in diesen Fragen allein zu lassen, braucht es abgestimmte Initiativen, um dem global agierenden Organisierten Verbrechen Grenzen zu setzen“, fordert die Adveniat-Referentin.

Martina Fornet Ponse ist Ecuador-Referentin beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Foto: Martin Steffen/Adveniat
Kurz vor der Stichwahl liegt die linksliberale Kandidatin González in Umfragen fast gleichauf mit Amtsinhaber Noboa. Es gilt als überraschend, dass González ihrem Widersacher Daniel Noboa laut Umfragen noch immer so dicht im Nacken sitzt. In manchen Erhebungen liegt die Linksliberale sogar vor dem rechten Amtsinhaber.
Noboa, als Nachfolger von Guillermo Lasso für den Rest von dessen Amtszeit gewählt, ist erst seit gut einem Jahr im Amt. Seitdem versucht er, sich als Hardliner zu inszenieren. „Präsident Noboa hat in den vergangenen eineinhalb Jahren versucht mit Härte gegenzuhalten und ist damit gescheitert“, stellt Adveniat-Expertin Fornet Ponse fest. Letztlich hat er auch die große Gruppe der organisierten Ureinwohner:innen nicht auf seiner Seite. Leonidas Iza, mit 5,25 Prozent im ersten Wahlgang Drittplatzierter und Präsident der Konföderation der indigenen Völker Ecuadors, hat sich an die Seite von González gestellt.
Wahlausgang dürfte auch in EU beobachtet werden
González will die vergleichsweisen stabilen und ruhigen Jahre unter Präsident Rafael Correa (2007 bis 2017) zurückbringen, in denen die studierte Juristin politisch heranwuchs. Correa baute die Ölförderung massiv aus, auch im Gebiet der Indigenen, schaffte aber so einen bescheidenen Wohlstand und steckte Geld in Bildung, Gesundheit und Wohnungsbau. Aber unter Correa stieg auch die Korruption und die Reglementierung der Presse.
Auch in vielen europäischen Hauptstädten und bei der EU in Brüssel dürfte der Ausgang der Wahl beobachtet werden. Schließlich kommt laut der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) inzwischen die große Mehrzahl des nach Europa geschmuggelten Kokains aus Ecuador.
Text: Tobias Käufer/kna/adv