Lateinamerikas Indigene wehren sich gegen Rohstoffabbau – Papst Leo soll in Panama vermitteln
Rohstoffe werden – mitunter auch illegal – abgebaut, Drogen angebaut. Das hat für Indigene in ganz Lateinamerika fatale Folgen. Sie hoffen nun auf einen neuen Verbündeten: Papst Leo XIV. höchstpersönlich.

Ölsee an einem Bohrloch in der Nähe von Lago Agrio, Ecuador. Öl, das nicht gebraucht werden kann wird in solche Seen gepumpt und gelangt von dort häufig ins Grundwasser. Foto: Martin Steffen/Adveniat
Eigentlich waren die Themen schon durch: In Panama sollte ein großer Kupfer-Tagebau schließen; El Salvador hatte sich für das Ende des Goldbergbaus entschieden. In Kolumbien wollte die Verhandlungsinitiative “Paz total” (kompletter Frieden) den Kampf um Drogenanbaufelder befrieden, und in Brasilien sprachen sich die Indigenen deutlich gegen die Erdölförderung im Amazonas-Mündungsbecken aus.
Doch die Realität ist anders: Der Rohstoffhunger der Asiaten, Nordamerikaner und Europäer lässt Abkommen und Absprachen kippen, die Konsequenzen sind überall zu spüren. In Panama kocht die Volksseele hoch. Es geht um den uralten Konflikt: Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum oder Schutz der Unversehrtheit der Natur. Nach einer ersten großen Protestwelle schien die Entscheidung gefallen zu sein. Das Oberste Gericht entschied sich 2023 für das Ende der offenen Tagebaumine “Cobre Panama”. Doch nun erwägt die Regierung von Präsident Jose Raul Mulino die Wiederbelebung.
Übergriffe und Einschüchterungen
Die Folgen sind schon jetzt spürbar: Umweltschützer und Vertreter der größten in Panama lebenden indigenen Ethnie, der Ngäbe-Bugle, sprechen von gewaltsamen Übergriffen und Einschüchterungen der Sicherheitskräfte. In dieser Woche berichtete das Portal EcoTVPanama: In einem Brief haben die sieben indigenen Ethnien Panamas Papst Leo XIV. um Unterstützung gebeten. Er solle sich gegen die Gewalt und für einen “echten Dialog” zur Lösung der “Krise” einsetzen.
Ähnlich ist die Situation in El Salvador. Dort war es der Zivilgesellschaft und der katholischen Kirche gelungen, ein Ende des Metallbergbaus gesetzlich zu verankern. Zu groß war die Umweltzerstörung im Land, weil Unternehmen Vorschriften nicht einhielten und die Behörden wegschauten. Inzwischen ist das schon wieder Geschichte. Präsident Nayib Bukele, mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament ausgestattet, machte die Regelung in Rekordzeit zunichte. Bukele träumt von einem neuen Goldrausch. Anwälte von Nichtregierungsorganisationen, die vor der neuerlichen Entwicklung warnen, werden verhaftet. Zum Schweigen bringen könnte die Organisationen auch eine Extra-Steuer in Höhe von 30 Prozent. Diese macht Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Ausland praktisch unmöglich.
Umstritten, aber attraktiv: Öl aus dem Amazonasbecken
In Brasilien stellt sich Präsident Luis Inacio Lula da Silva hinter eine hochumstrittene Erdölförderung im Amazonas-Mündungsbecken. Magda Chambriard, Chefin des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras, schockte Umweltschützer in einem Video mit einer provokativen Äußerung, die man eigentlich von US Präsident Donald Trump kennt: “Drill, baby, drill”; das englisch Wort drill meint das Bohren nach Öl.
Die brasilianischen Indigenen haben sich bereits mehrfach gegen das Projekt in der fischreichen Region ausgesprochen. Ihr vielleicht bekanntester Vertreter ist Caique Raoni. “Ich denke, dass man es nicht fördern sollte. Denn diese Dinge, so wie sie jetzt sind, garantieren uns eine intakte Umwelt, eine Erde mit weniger Umweltverschmutzung und weniger Erderwärmung”, sagte Raoni Anfang Mai bei einem Treffen mit Lula. Dieser lächelte bloß schweigend und verlieh Raoni einen Orden.
In den Fokus der Weltöffentlichkeit wird die Region auch im November rücken: Die Weltklimakonferenz COP30 findet im brasilianischen Belem statt; für diese fordern die indigenen Völker einen eigenen Platz am Verhandlungstisch – bislang vergeblich.
Drogenanbau statt Waffenstillstand
Ernüchterung gibt es auch in Kolumbien: Dort sollte das Projekt “Paz total” (Kompletter Frieden) zur Kernbotschaft der Präsidentschaft von Gustavo Petro werden. Doch mehrfach wurde ein Waffenstillstand gebrochen. Die illegalen Banden nutzten die Zurückhaltung des Militärs, um ihre Macht in den Territorien auszubauen. Linke Guerillabanden und rechte Paramilitärs als Handlanger der organisierten Kriminalität lassen den Drogenanbau weiter wachsen und kontrollieren zunehmend auch den illegalen Bergbau.
Die Konsequenzen: Die Abholzung im kolumbianischen Amazonas ist im vergangenen Jahr um 35 Prozent gestiegen. Wie blutig und brutal die Kämpfe um die Territorien sind, zeigt ein Vorfall von Anfang Mai, als elf ecuadorianische Soldaten bei einer Kontrolloperation im Norden des ecuadorianischen Amazonasgebiets getötet wurden. Der Angriff wurde den kolumbianischen FARC-Dissidenten zugeschrieben. In der Region wird eine steigende Aktivität des illegalen Bergbaus registriert.
Text: Tobias Käufer/KNA