Brasilien im klimatischen Dauerstress

Hitze, Dürre, Brände halten das Land im Griff

Im brasilianischen Winter herrschen Temperaturen von über 40 Grad. Große Teile des Landes liegen aufgrund von Bränden unter einer gigantischen Rauchwolke.

Aktuelle Brände zerstören nicht nur den Amazonas, sondern auch Felder und Plantagen. Foto: Adveniat/Florian Kopp (Symbolbild)

Mitten im Winter der südlichen Hemisphäre leidet Brasilien unter Rekordhitze und -trockenheit. Laut Regierung sind 58 Prozent des Territoriums vom Wassermangel betroffen. Dazu brennt es in zahlreichen Regionen. Derzeit in brasilianischen Medien zirkulierende Satellitenbilder zeigen einen Großteil des Landes unter Rauchwolken. Das Oberste Gericht hat nun den Einsatz von Feuerwehrmännern angeordnet.

Experten sehen die derzeitige Trockenheit als die schlimmste in 94 Jahren an. Aufgrund der Hitze und der extrem niedrigen Luftfeuchtigkeit haben Behörden in mehreren Landesteilen Alarm geschlagen und die Bevölkerung gewarnt. Teilweise liege die Temperatur fünf Grad höher als der für diese Jahreszeit übliche langfristige Durchschnitt. In einigen Regionen herrscht seit Wochen eine Luftfeuchtigkeit von 10 bis 20 Prozent, was Wüstenklima entspricht.

In der Küstenmetropole Rio de Janeiro wurde zuletzt eine Temperatur von 41 Grad gemessen – hochsommerliches Wetter mitten im brasilianischen Winter. Während dort immerhin noch Meeresbrisen für etwas Entspannung sorgen, ist die Lage in dem in den Bergen gelegenen Großraum Sao Paulo mit über 20 Millionen Einwohnern kritischer. Hier kommt zur ungewöhnlichen Hitze auch noch der übliche Smog der Industriemetropole hinzu. So wurde hier zeitweise die schlechteste Luftqualität weltweit registriert. Immer mehr Menschen berichten über Atemwegsprobleme.

Der Regen färbt sich schwarz

An diesem Wochenende fallender Regen hat in Sao Paulo und in Südbrasilien zwar etwas Erleichterung gebracht. Doch vielerorts fiel schwarzer Regen vom Himmel – ein Phänomen, das mit den Bränden zusammenhängt: Die Rauchpartikel färben den Regen schwarz. Landesweit brennen Wälder, Felder und sogar Zuckerrohrplantagen. Zudem werden Rekordwaldbrände im angrenzenden Bolivien registriert, wo bereits fast 4 Millionen Hektar abgebrannt sein sollen. So zeigen Satellitenbilder gigantische Rauchwolken über dem Zentrum Südamerikas, alleine 60 Prozent Brasiliens sollen unter dem Qualm liegen.

Wie das staatliche Klimainstitut Inpe mitteilte, zählte man in Südamerika in den vergangenen zwölf Monaten rund 350.000 Brandherde – ein neuer Rekord. Auch in den anderen Ländern, die Teile des Amazonas beherbergen, brennt es wie in Peru, Kolumbien oder Venezuela. Alleine in Brasilien seien im laufenden Jahr bereits rund 225.000 Quadratkilometer Fläche vom Feuer zerstört worden. Das entspricht fast dem Gebiet der alten Bundesrepublik Deutschland.

Besonders betroffen ist seit Monaten das brasilianische Amazonasgebiet, der im Herzen des Amazonaswaldes liegt und bisher von großen Zerstörungen des Waldes verschont geblieben war. Alleine am vergangenen Donnerstag wurden hier jedoch 900 Feuer gezählt. Insgesamt gab es im August in dem Gliedstaat über 10.000 Brandherde – so viele wie noch nie seit Beginn der Datenerhebungen im Jahr 1998.

Die Brände zerstören auch die Heimat der Indigenen im Amazonas. Foto: Adveniat/Jürgen Escher (Symbolbild)

Trockenheit begünstigt Brände

Viele Feuer seien kriminellen Ursprungs, erklären Experten. Oft würden Wälder angezündet, um Weideflächen für Vieh zu schaffen. Die Ausbreitung der Brände wird aber von der außergewöhnlichen Trockenheit begünstigt. Bereits im vergangenen Jahr war es viel zu trocken, dieses Jahr hat es sogar noch weniger geregnet. Experten machen die Klimakrise verantwortlich. Wichtige Flüsse wie der Paraguai und der Parana im zentralen Südamerika melden Rekordtiefstände, genau wie wichtige Amazonasflüsse wie der Madeira.

Auch das Pantanal, das weltweit größte Sumpfgebiet in Westbrasilien, leidet unter der Dürre. Bis Ende dieses Jahrhunderts könnte das Pantanal „verloren sein“, hatte Brasiliens Umweltministerin Marina Silva vor einigen Tagen erklärt. „Dieses Phänomen – gekennzeichnet durch geringe Niederschläge, hohe Evapotranspiration und das Nichterreichen von Überschwemmungsniveaus sowohl in den Flüssen als auch in den Überschwemmungsgebieten – stellt eine ernsthafte Bedrohung dar“, so Silva. Evapotranspiration bedeutet die Gesamtverdunstung von einer natürlich bewachsenen Bodenoberfläche.

Präsident Lula unter Druck

Der Präsident war im Januar 2023 mit dem Versprechen angetreten, dem Umweltschutz Priorität zu geben. Nun wurde angekündigt, umgerechnet knapp 100 Millionen Euro zusätzlich für die Brandbekämpfung auszugeben. Da durch fehlenden Regen auch die Energieversorgung gefährdet ist, überlegt Lula, die Sommerzeit wieder einzuführen um Strom zu sparen.

Die von Experten als zu zaghaft eingeschätzte Reaktion der Regierung auf das Extremwetter sorgt dafür, dass die Zustimmung zu „Lulas“ Regierung abnimmt, wie Umfrageinstitute dieser Tage erklärten. Noch im April sagten 33 Prozent, Lula mache gute Umweltschutzpolitik; nun sind es nur noch 27 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm die negative Einschätzung in diesem Bereich von 33 auf 44 Prozent zu.

Mitte vergangener Woche hatte der Oberste Gerichtshof verstärkte Maßnahmen gegen die Brände gefordert. Der Regierung wurde ein Ultimatum gestellt, um mehr Feuerwehrleute sowie Militär in die Krisenregionen zu entsenden. Zudem sollen die Polizeikräfte verstärkt Ermittlungen aufnehmen, um die Brandstifter zu ermitteln. Allerdings sind die Richter machtlos, wenn es um den dringend benötigten Regen geht: Auch in den nächsten Monaten soll der in geringerer Menge als üblich fallen.

(KNA/ red)

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