Autobiografie von Papst Franziskus – Testament zu Lebzeiten?
Sechs Jahre lang hat Papst Franziskus an seiner Autobiografie geschrieben, die seine Geschichte von der Kindheit bis zum heutigen Pontifikat erzählt. Wer ist dieser Papst, der als Jorge Mario Bergoglio in Argentinien unter schwierigen politischen Bedingungen Karriere machte? Wo positioniert er sich in Zeiten, in denen die Weltkirche vor wegweisenden Reformen steht und die Welt von neuen Kriegen heimgesucht wird? Silke Arning vom SWR hat mit Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Martin Maier über das Buch gesprochen.

Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Martin Maier bei einem Besuch bei Papst Franziskus in Rom. Foto: Vatican Media
„Wir leben in einer Zeit, in der es schwer ist zu hoffen, mit vielfältigen Krisen, mit Kriegen“, sagt Pater Maier. „Hoffe“ – dieser Titel der Autobiografie von Papst Franziskus sei aus seiner Sicht einer der Gründe, weshalb Franziskus dieses Buch vor seinem Tod veröffentlich hat: Er möchte wieder Hoffnung stiften. „Und ich sehe darin auch eine zentrale Aufgabe von Religion und von Kirche – die Hoffnung am Leben zu erhalten. Und das gelingt ihm“, sagt Maier.
Franziskus´ Kompass: Die Option für die Armen
Was in dem Buch darüber hinaus sehr deutlich werde: Der Kompass für das Pontifikat von Franziskus ist die Option für die Armen. „Bei Adveniat sehen wir Franziskus als großen Verbündeten in dem was wir tun“, sagt der Adveniat-Chef. Der Papst wolle, dass sich an den ungerechten Verhältnissen – über 700 Millionen Hungernde, wie er in seinem Buch schreibt – etwas ändert. Und er macht auch Vorschläge. Aktuell zum Beispiel habe er wieder einmal gefordert, einen Teil der Milliarden für Waffenlieferungen in einen Fonds einzubringen, um das Elend des Hungers zu bekämpfen. „Das ist das, was ihn antreibt“, sagt Maier. „Und das andere große Thema, das damit in Verbindung steht, ist die Migration.“

Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Martin Maier. Foto: Martin Steffen/Adveniat
Größte kirchliche Herausforderung ist die Ungerechtigkeit
Geprägt hätten diese Grundhaltungen laut Maier sicherlich auch Franziskus´ Erfahrungen rund um das zweite Vatikanische Konzil und die darauffolgende Bischofsversammlung in Medellín, wo die Bischöfe Lateinamerikas sich gefragt haben, was solch eine kirchliche Erneuerung nun für Lateinamerika bedeutet. „Und sie waren sich schnell einig“, weiß Maier: Die größte Herausforderung sei die Ungerechtigkeit. „Das Elend, das zum Himmel schreit, darauf müssen wir reagieren, uns positionieren. Wir müssen uns auf die Seite der Armen stellen“, sei der Bischofsversammlung klar gewesen. All das habe auch Jorge Maria Bergoglio maßgeblich geprägt. Und auch als Jesuit stehe er unter dem großen Programm: Glaube und Gerechtigkeit. „Wir können den christlichen Glauben in einer Welt der Ungerechtigkeit nicht verkünden, ohne uns für Gerechtigkeit einzusetzen, dafür zu kämpfen“, sagt Jesuit Maier.
Enttäuscht über die Aussagen zur Rolle der Frau in der Kirche
Welches Thema Maier enttäuscht zurück lässt, sei die Art, wie Franziskus über die Stellung der Frau in der katholischen Kirche spricht. „Ich denke, dass er da theologisch noch in der Vergangenheit steckt.“ Im Schlussdokument der Weltsynode, das Franziskus als Teil des päpstlichen Lehramtes anerkannt hat, sei die Frage, ob Frauen zu Diakoninnen geweiht werden können, als offen festgehalten. Jedoch erinnert Maier an eine Versammlung von Ordensoberinnen in Rom, die dem Papst diese Frage noch einmal gestellt hätten, worauf er antwortete: „Da ist die Tür verschlossen.“ Eine Ordensoberin habe geantwortet: „Und Sie, heiliger Vater, haben den Schlüssel.“ – „Ich hoffe, dass da wirklich Schritte nach vorne gegangen werden“, sagt Maier.
Hoffnung durch vorweggenommenes Testament
Insgesamt könne man die Autobiografie als ein vorweggenommenes Testament lesen, so Maier. „Jetzt ist sie zu seinen Lebzeiten erschienen und die Erklärung ist für mich tatsächlich auch der Titel: Hoffe. Er sieht dieses Buch als eine Ermutigung, trotz allem in diesen schwierigen Zeiten, die wir durchmachen, nicht aufzugeben.“
„Ich habe in einer belgischen Zeitung mal gelesen“, erzählt Maier abschließend. „Wir können 30 Tage ohne zu essen leben und sieben Tage ohne zu trinken, aber keine Sekunde ohne zu hoffen. Wenn wir die Hoffnung aufgeben, dass Veränderungen zum Besseren möglich sind, sind wir in der Sackgasse.“ Franziskus zeige trotz allem in seinem Buch: Es gibt Grund zu hoffen. „Das Bild vom besten Wein, der noch zu erwarten ist – das ist eine Anspielung auf die Hochzeit von Kana“, sagt Maier. „Es gibt Hoffnung. Wir können trotz allem feiern. Wir können, wenn wir uns zusammenfinden, diese Welt verändern.“ (ml)
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